Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie
Die EU-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie ist im Jahr 2007 in Kraft getreten und im Jahr 2009 durch Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), Abschnitt 6, §§ 72 – 81 in deutsches Recht umgesetzt worden.
Ziel der Richtlinie ist es, einen Rahmen für die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken zur Verringerung bzw. Vermeidung der hochwasserbedingten nachteiligen Folgen auf
- die menschliche Gesundheit,
- die Umwelt,
- das Kulturerbe und
- die wirtschaftlichen Tätigkeiten in der Gemeinschaft zu schaffen.
Die Umsetzung der Richtlinie erfolgt in drei Schritten:
In einem ersten Schritt wurde eine vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos für Flussgebietseinheiten, im Lüner Stadtgebiet sind dies die Flussgebiete Lippe und Seseke, auf der Grundlage verfügbarer Informationen vorgenommen.
Im zweiten Schritt sind Hochwassergefahren- und Risikokarten zu erstellen.
Die Hochwassergefahrenkarten zeigen auf Basis der Topografie Überflutungsgebiete für
- Hochwasser mit niedriger Wahrscheinlichkeit oder Szenarien für Extremereignisse (ca. 1000-jährliche Ereignisse);
- Hochwasser mit mittlerer Wahrscheinlichkeit (voraussichtliches Wiederkehrintervall ≥ 100 Jahre)
- gegebenenfalls Hochwasser mit hoher Wahrscheinlichkeit.
Für jedes dieser Szenarien ist das Ausmaß der Überflutung, die Wassertiefe bzw. der Wasserstand sowie ggfs. die Fließgeschwindigkeit oder der relevante Wasserabfluss darzustellen.
Die Hochwasserrisikokarten stellen potenzielle hochwasserbedingte nachteilige Auswirkungen für die Szenarien dar wie z. B. die Anzahl der potenziell betroffenen Einwohner (Größenordnung), die Art der wirtschaftlichen Tätigkeiten in dem potenziell betroffenen Gebiet, Industrieanlagen Anlagen nach der IVU-Richtlinie (Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), die im Falle der Überflutung unbeabsichtigte Umweltverschmutzungen verursachen könnten, und potenziell betroffene Schutzgebiete nach der Wasserrahmenrichtlinie sowie Kulturgüter.
Im dritten Schritt sind Hochwasserrisikomanagementpläne auszuarbeiten. Sie sollen alle Aspekte des Hochwasserrisikomanagements erfassen, wobei der Schwerpunkt auf der Vermeidung, dem Schutz und der Vorsorge liegt. Die Maßnahmen im Einzelnen können dem Steckbrief für die Stadt Lünen entnommen werden.
Hochwassergefahren- und Risikokarten als auch die Hochwasserrisikomanagement-Pläne sind öffentlich zugänglich:
Hochwasserrisikomanagementplanung in Lünen
Vergangene Ereignisse zeigen, dass Hochwasser im Lippeeinzugsgebiet durchaus vorkommen. Die räumliche Nähe und die Ansiedlung unterschiedlichster Nutzungen am Gewässer zeugen von einem bestehenden Hochwasserrisiko.
Durch die industrielle Prägung der Region und durch wasserwirtschaftliche Eingriffe (Begradigung und damit die Verkürzung des Flusses und die Befestigung der Ufer) hat sich die Lippe stark verändert. In den 1990er Jahren startete das Gewässerauenprogramm zur Wiederanbindung der Lippe an ihre Flussauen. Neben positiven Effekten auf Flora und Fauna wird die Renaturierung auch bedeutenden Einfluss auf den Hochwasserschutz haben. Die Auen bilden natürliche Überschwemmungsflächen.
In Folge des Steinkohlebergbaus sind Bergsenkungen entstanden. Zum Schutz dieser besonders gefährdeten Flächen war der Bau von Deichen und Pumpwerken erforderlich. Auf einer Länge von insgesamt 32 Kilometern wurde die Lippe ein- oder beidseitig eingedeicht. Auch an mehreren Nebenläufen, wie etwa der Seseke, wurden Hochwasserschutzdeiche in senkungsbeeinflussten Gewässerabschnitten errichtet.
Die Hochwassergefahrenkarte zeigt die Hochwassergefahr bei einem 100jährlichen Hochwasser, also einem Hochwasserereignis mit mittlerer Wahrscheinlichkeit. Siedlungsflächen entlang der Lippe sind durch Deiche vor Überflutung geschützt. Die Deiche sind für ein Hochwasser der Wahrscheinlichkeit HQ100 bemessen.
Die Gebiete, die bei diesem Szenario überflutet werden, sind blau gekennzeichnet. Dies betrifft vor allem die dafür vorgesehenen Flächen im Auengebiet.
Gelb-orange gekennzeichnete Flächen sind solche, die durch technische Schutzanlagen vor Überflutung geschützt sind. Bei einem Versagen dieser Schutzanlagen oder einem Extremhochwasser (HQextrem) wären die gefärbten Flächen betroffen. Extremhochwasser sind selten, haben aber verheerende Folgen, wenn sich nicht alle Betroffenen durch Vorsorge- und Schutzmaßnahmen auf sie einstellen (zu möglichen Vorsorgemaßnahmen siehe Eigenvorsorge). Ein „HQextrem“-Szenario zeigt auch auf, wie sich das Wasser ausbreiten kann, wenn etwa Hochwasserschutzanlagen versagen oder der Durchfluss unter einer Brücke nicht mehr gewährleistet ist.
Deichanlagen und Wände sind in der Gefahrenkarte durch eine grün-schwarze Linie dargestellt. Der Innenstadtbereich Lünens ist durch Deiche und durch mobile Hochwasserschutzeinrichtungen gesichert. Sollte der Schutz versagen, sind Bereiche des Rathauses sowie das Theater und umliegende Gebäude betroffen (gelbe Flächen).
Weiterführende Links und Downloads
Maßnahmen der Hochwasservorsorge
Flächenvorsorge: Festlegung von Überschwemmungsgebieten
Überschwemmungsgebiete werden für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht.
In diesen Gebieten ist die Ausweisung neuer Baugebiete untersagt, Ausnahmen sind nur unter Einhaltung strenger Vorgaben möglich. Grundlage für die Festsetzung ist ein Hochwasser, das statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. Lünen verfügt über ausreichend festgesetzte Überschwemmungsgebiete entlang der Lippe.
Technischer Hochwasserschutz
Zum technischen Hochwasserschutz zählen Flussbaumaßnahmen wie Deiche und Dämme, aber auch Objektschutzmaßnahmen wie Schutzwände oder mobile Hochwasserschutzsysteme.
Weite Teile der Lippe, aber auch der Seseke, des Lüserbachs und des Süggelbachs sind im Lüner Stadtgebiet eingedeicht. Der Innenstadtbereich Lünens ist zusätzlich durch mobile Hochwasserschutzeinrichtungen gesichert. Auch Pumpwerke tragen zum technischen Hochwasserschutz in Bergsenkungsgebieten bei.
Eigenvorsorge
Technische Hochwasserschutzeinrichtungen (Deiche, Rückhaltebecken, etc.) können keinen absoluten Schutz garantieren. Es besteht immer das Risiko, dass extreme Hochwasserereignisse auftreten oder dass die Anlagen des technischen Hochwasserschutzes versagen. Ein effektives Hochwasserrisikomanagement ist daher von der Unterstützung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger abhängig.
Grundsätzlich haften weder der Bund, das Land noch die Kommunen für Schäden an privaten Gebäuden und Grundstücken, die durch Hochwasser hervorgerufen werden. Es bleibt jeder Einzelne verantwortlich für seinen Schutz und den Schutz seines Eigentums.
Eine Strategie, Hochwasserschäden möglichst gering zu halten, ist die Bauvorsorge. Diese kann nicht nur bei Neubauten sondern auch bei bestehenden Gebäuden angewandt werden und sollte besonders von Grundstückseigentümern potentiell gefährdeter Flächen berücksichtigt werden.
Verschiedene kombinierbare Abdichtungs- und Schutzmaßnahmen schützen vor dem Eindringen des Wassers.
Da trotz aller Vorsorge Schaden entstehen kann, sollte geprüft werden, ob ein Versicherungsschutz besteht oder notwendig ist.
Der Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen (SAL) berät ausführlich zum Thema Objektschutz und Grundstücksentwässerung. Grundstückseigentümer können Überflutungsrisikoeinschätzungen bei Starkregenereignissen durchführen lassen.
Weiterführende Links
Hochwasserrisikomanagement-Pläne
Technische Details zum Objektschutz in der Hochwasserfibel des BMU
Übersicht an hilfreichen Informationen auf flussgebiete.nrw
Fragen zum Thema Eigenvorsorge auf der Seite des Hochwasser KompetenzCentrums
Informationen zu Versicherungen, zusammengestellt durch die GDV
Einschätzen des individuellen Überschwemmungs-Risiko mit Hilfe des Hochwasserpass